„Was werfen Sie persönlich ihrem Vater vor?“

Niklas Frank, Sohn von Hans Frank (während des Zweiten Weltkrieges Generalgouverneur von Polen) im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern der Religionskurse des BG 12

11. Mai 2017 - die Schülerinnen und Schüler der Religionskurse des BG 12 der HLA warten gespannt auf den Gast. In den vorangegangenen Religionsstunden hatten sie sich im Rahmen des Semesterthemas „Was ist der Mensch?“ anhand von Rezensionen mit den Büchern von Niklas Frank, dem Sohn von Hans Frank, den die Amerikaner den „butcher of Poland“ nannten, auseinandergesetzt. Hans Frank war verantwortlich für die Ermordung Tausender Menschen. Er wurde 1946 in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen angeklagt, zum Tod verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet. Niklas Frank hat sich in den letzten 30 Jahren schreibend mit dieser seiner Familiengeschichte auseinandergesetzt und sagt auch heute als 78-Jähriger noch: „Ich gönne ihm die Todesstrafe!“

Die Bücher, aus denen Niklas Frank in der HLA vorliest („Der Vater“, „Meine deutsche Mutter“), sind eine Abrechnung mit seiner Mutter, aber vor allem mit seinem Vater. Die in einer drastischen Sprache geschilderten Erfahrungen, das in brutalen Metaphern beschriebene Verhältnis zu seinem Vater verstören die Schülerinnen und Schüler und provozieren Fragen:

„Stellen sie sich vor, Ihr Vater käme heute zurück, was würden sie tun?“

Die Antwort Niklas Franks, er wünsche sich, dass der Vater ihm in die Arme fallen, weinen und sich dann mit einem Strick erhängen würde, schockiert die Schülerinnen und Schüler und lässt fragen, ob es Situationen gibt, die eine Versöhnung unmöglich machen.

Ein weiterer Schüler fragt: „Was werfen Sie persönlich Ihrem Vater vor?“

Die Antwort Niklas Franks, dass Hans Frank feige gewesen sei und sich dem menschenverachtenden Regime opportunistisch angepasst habe, befriedigt den Schüler nicht. Er stellt die Frage nochmals, denn die Antwort Niklas Franks hätte so jeder geben können. Vielmehr vermutet der Schüler, dass der eigentliche Vorwurf, die nicht gewährte Liebe des Vaters sei. Hatte doch Niklas Frank eindrücklich aus seinem Buch eine Begebenheit seiner Kindheit geschildert: Um einen runden Tisch laufend, habe Niklas Frank versucht, zu seinem Vater zu gelangen. Dieser habe sich ihm jedoch entzogen und lachend dabei gerufen: „Du kriegst mich nicht, Fremdi!“ Ein Zuhörer stellt die Frage, ob seine Auseinandersetzung mit seinem Vater anders – versöhnlicher -  verlaufen wäre, hätte der Vater ihm Liebe geschenkt. Niklas Frank sieht für sich diese Möglichkeit nicht. Diesen Weg sei sein Bruder Norman gegangen, habe jedoch dadurch auch keinen Frieden gefunden. Ist dann Versöhnung überhaupt möglich?

Fragen über Fragen

Und was auch eine Geschichtsstunde hätte werden können, wurde schließlich zu einer Religionsstunde zum Thema „Wozu ist der Mensch fähig?“ „Was heißt Schuld?“ „Wie mit Unmenschlichkeit, Hass, Verletzung und Grausamkeit umgehen?“

„Was ist der Mensch?“ Blaise Pascal nannte ihn ein Paradoxon, einen personifizierten Widerspruch

 

Autorinnen: NE/SB